"Seit Beginn des Sommers hat sich die Lage in Gaza weiter verschlechtert: Die Auswirkungen der israelischen Angriffe auf die Zivilbevölkerung werden immer gravierender. Da die Grenzübergänge geschlossen sind, können kaum noch medizinische Hilfsgüter und Lebensmittel nach Gaza geliefert werden. Impfungenkönnen nicht mehr durchgeführt werden. Kleinkinder unter fünf Jahren sind kaum oder gar nicht geimpft und daher besonders anfällig für sich ausbreitende Epidemien.
Durch die unzureichende Lebensmittelversorgung steigt die Zahl der unterernährten Kinder. 30 % der Kinder unter zwei Jahren sind mittlerweile betroffen.
In den medizinischen Zentren von Ärzte der Welt sehen wir, dass chronisch Kranke, die eigentlich erfolgreich behandelt worden waren, nun nicht mehr ausreichend medizinisch versorgt werden können. Ihr Zustand verschlechtert sich. Es braucht ein stabiles und sicheres Umfeld, das sich nicht jede Woche ändert, um unsere Patient*innen effektiv behandeln zu können. Die Zelte zur Unterbringung der Patient*innen sind bei weitem nicht ausreichend. Die lebensfeindlichen Bedingungen führen dazu, dass sich die Situation von Patient*innen stetig verschlechtert. Die Zahl der Patient*innen, die versterben, wird nicht zu den Kriegsopfern dazugezählt. Die Zahl der zivilen Opfer ist also deutlich höher als bekannt ist.
Überall Leid und Psychische Not
Neben der medizinischen Versorgung behandeln wir in den Zentren von Ärzte der Welt auch Patient*innen mit psychischen Leiden. Die Familien, vor allem die Kinder, sind oft schwer traumatisiert. Sie leben ständig unter Stress und Angst. Kinder, die jetzt in einer eigentlich entscheidenden kognitiv-emotionalen Entwicklungsphase sind, werden möglicherweise bleibende Schäden davontragen. Unser Team unterstützt die Patient*innen so gut es geht. Auch die psychische Verfassung unserer Mitarbeitenden ist angespannt. Denn wie die Zivilbevölkerung erleben auch sie den Krieg hautnah.
Wie wir im Gazastreifen Helfen
In den vergangenen 12 Monaten haben wir unter anderem:
- Mit 4 mobilen Kliniken 500 bis 2.000 Menschen pro Tag medizinische und psychosoziale Nothilfe geleistet
- 6 weitere Kliniken unterstützt
- 3.000 Lebensmittelpakete und 1.250 Hygienekits mit Menstruationsprodukten verteilt
- Impfungen durchgeführt
Die Situation im Westjordanland
„Neben der dramatischen Situation in Gaza darf aber auch die Lage im Westjordanland nicht in Vergessenheit geraten. Gewalttaten gegen die palästinensische Zivilbevölkerung durch israelische Siedler*innen haben dort enorm zugenommen. Darüber hinaus geht die israelische Armee mit massiver Gewalt in palästinensischen Ortschaften vor.
Unvorhersehbare Straßensperren führen dazu, dass sich die Fahrzeit zum nächsten Krankenhaus im Falle eines Notfalls von normalerweise einer halben Stunde auf drei bis vier Stunden verlängert. Patient*innen sind darüber hinaus von Genehmigungen an Checkpoints abhängig. Ob und wie diese erteilt werden, ist ebenfalls unberechenbar. Für Menschen, die zum Beispiel einen Herzinfarkt erleiden oder für Frauen, die kurz vor der Entbindung stehen, kann diese Unvorhersehbarkeit schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben."