Gaza, Palästinensische Gebiete, 19. Oktober 2023
Liebe Kolleg*innen,
ich weiß nicht, ob ihr meinen Brief erhalten werdet. Ich weiß auch nicht, ob ich noch lange genug am Leben sein werde, um euch wiederzusehen.
Schweren Herzens schreibe ich euch, um euch erschütternde Nachrichten aus Gaza mitzuteilen. Wir sind momentan in einer Situation, die nur als humanitäre Katastrophe bezeichnet werden kann.
Wie ihr bereits wisst, wird Gaza stark bombardiert. Die meisten von uns sind gezwungen, zu Fuß zu fliehen. Unsere einst friedlichen Viertel sind nun nichts weiter als Schutt und Asche.
Unsere Angehörigen haben einen hohen Preis gezahlt. Fast 4.500 Menschen haben ihr Leben verloren. 12.000 wurden verwundet, darunter zahlreiche Kinder. Wir leben momentan unter unerträglichen Bedingungen. Wir haben kein Wasser, keine Lebensmittel, keinen Strom.
Wir leben mit einem ständigen Zustand der Angst und der Unsicherheit
Jeder Moment fühlt sich an wie der letzte. Wir verabschieden uns von unseren Kindern und unseren Angehörigen. Wir schauen ihnen in die Augen, ungewiss, ob wir sie nochmals wiedersehen werden. Wir leben in einem dauerhaften Zustand der Angst und der Unsicherheit, wobei uns ein tiefes Gefühl der Hilflosigkeit, Verzweiflung und Grausamkeit überkommt.
Die Welt muss sich unserer Situation dringend bewusst werden, unsere Stimmen hören und uns beistehen. Wir befinden uns in einer beispiellosen humanitären Katastrophe und bitten euch, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren, unsere Geschichten zu teilen und uns mit allen erdenklichen Mitteln zu helfen.
Bitte behaltet uns in euren Gedanken und euren Gebeten.
Wir bleiben weiterhin entschlossen, trotz der schwerwiegenden Umstände,
Nour,
Psychologin im Team von Ärzte der Welt in Gaza
Den Menschen in Gaza weiterhin zu Seite stehen
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