Katharina, zur Idee, in einer gemeinnützigen Organisation zu arbeiten, bist Du über einen kleinen Umweg gekommen.
Ich habe zuerst Wirtschaftswissenschaften an der Uni Paderborn studiert. Während dieser Zeit habe ich für einige Wochen bei einem Entwicklungsprojekt in Ghana mitgearbeitet. Wir haben dort Brunnen gebaut und die Menschen aufgeklärt, wie groß die Gefahren durch das Trinken von verunreinigtem Wasser sind. Es gab dort zum Beispiel Kinder, die wegen der Bakterien und Parasiten im Wasser aufgeblähte Bäuche hatten und krank waren. Das hat mich sehr geprägt. Mir wurde klar, dass ich einen Sinn in meiner Tätigkeit brauche. Nach dem Bachelor habe ich dann ein Gap Year gemacht und bei einem Startup im Gesundheitsbereich gearbeitet.
Für das Master-Studium kamst Du dann München...
Ich hatte mich bei mehreren Universitäten für den Master in Public Health beworben und habe nach einem langen Auswahlprozess die Zusage in München erhalten. Wir waren ein sehr kleiner Studiengang, die Betreuung durch die Professor*innen war dadurch sehr gut. Aber ich habe nicht nur München kennen gelernt. Ich war für ein Auslandssemester in Tromsø in Nord-Norwegen und habe dort unendlich lange Sommertage und sehr dunkle Polarnächte erlebt. Über ein Uni-Projekt konnte ich sogar an einem Studierenden-Austausch in Georgien teilnehmen und habe dort im Rahmen eines Global Health Seminars das georgische Gesundheitssystem und das „National Center for Disease Control and Public Health (NCDC)“ kennengelernt.
Und Du hast auch praktische Erfahrung gesammelt.
Zurück in München habe ich im Referat für Gesundheit und Umwelt im Gesundheitsbeirat ein Praktikum gemacht – und dann auch bei Ärzte der Welt in der Anlaufstelle open.med. Dort war ich letztes Jahr für drei Monate und habe seitdem immer wieder ehrenamtlich das Projekt unterstützt. Ich habe mich sehr gefreut, als meine Bewerbung Anfang des Jahres als Projektreferentin bei open.med erfolgreich war.
Was schätzt Du an Deiner Arbeit?
Bei großen Institutionen oder der Regierung ist alles sehr hierarchisch. Als einzelne Mitarbeiterin hat man nicht viel Entscheidungsfreiheit. Bei Ärzte der Welt gefällt mir die Nähe zum Menschen und dass ich direkt etwas bewirken kann. Im Idealfall geht es unseren Patientinnen und Patienten beim Verlassen der Praxis besser als vorher. Und die Menschen spiegeln einem den Einsatz direkt mit ihrer Dankbarkeit zurück und freuen sich, dass wir ihnen zuhören und alles tun, um ihnen zu helfen.
Du kennst die Anlaufstelle nun schon länger. Ist Dir in den vergangenen Wochen etwas aufgefallen? Hat sich bei den Patient*innen etwas durch die Corona-Pandemie verändert?
Wir haben seit Beginn der Pandemie deutlich mehr Neuaufnahmen in der Anlaufstelle sowie im mobilen Projekt. Das sind vor allem Patient*innen, die in Deutschland „hängen geblieben“ sind, weil sie hier zu Besuch waren und nun wegen der geschlossenen Grenzen nicht mehr zurück in ihr Heimatland können. Wenn sie dann krank werden oder wegen einer chronischen Erkrankung Medikamente brauchen, bleibt ihnen oft nur der Weg zu uns.
Wir haben auch immer mehr Frauen und Männer, die wegen des Versichertenentlastungsgesetzes ihre Krankenversicherung verloren haben. Oft geschieht dies ohne den/die Bürger*in zuvor kontaktiert oder in Kenntnis gesetzt zu haben.
Seit des Corona-Shutdowns kümmern wir uns auch um deutlich mehr Menschen mit psychischen Erkrankungen. Wir behandeln erkrankte Tagelöhner, die mit der Arbeit auch ihre Versicherung verloren haben. Es ist also spürbar mehr los in der Anlaufstelle und beim Behandlungsbus, mit dem wir an den Hauptbahnhof und zum Übernachtungsschutz fahren.
Wie gehst Du privat mit dieser Belastung um? Hast Du Strategien, um nach der Arbeit abzuschalten?
Ich meditiere regelmäßig und führe Tagebuch. Und ich mache gerne Sport und laufe ‒ das hilft alles sehr gut, um den Kopf frei zu bekommen und neue Energie zu tanken.