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Verschiedene Organisationen demonstrieren vor dem Reichstag in Berlin zur Kampagne GleichBeHandeln. Foto: Peter Groth

Beschwerde beim Verfassungsgericht: Menschen ohne Papiere haben ein Recht auf Gesundheit

 

Beschwerde beim Verfassungsgericht: Menschen ohne Papiere haben ein Recht auf Gesundheit

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte hat gemeinsam mit einem schwerkranken Kläger aus dem Kosovo und der Organisation Ärzte der Welt Verfassungsbeschwerde eingereicht, um das Recht auf Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere durchzusetzen. Angegriffen wird die europaweit einzigartige Meldepflicht, die Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus davon abhält, notwendige medizinische Behandlung in Anspruch zu nehmen.

Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus müssen beim Sozialamt einen Behandlungsschein für einen Arztbesuch beantragen. Weil das Sozialamt verpflichtet ist, sie sofort an die Polizei oder die Ausländerbehörde zu melden, droht den Betroffenen die Abschiebung. Die Verfassungsbeschwerde zielt darauf ab, diese Meldepflicht vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklären zu lassen. Zusätzlich will die GFF mit einem Eilantrag sicherstellen, dass der herzkranke Kläger zeitnah medizinisch versorgt werden kann.

„Jeder Mensch - unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus - hat ein Recht auf Gesundheitsversorgung. Die staatliche Meldepflicht hält akut erkrankte Menschen wie unseren Kläger faktisch davon ab, sich medizinisch behandeln zu lassen“ , kritisiert Sarah Lincoln, Juristin und Verfahrenskoordinatorin der GFF. „Es wird höchste Zeit für ein Grundsatzurteil, das die Meldepflicht gerichtlich für verfassungswidrig erklärt".

Der Kläger floh vor 30 Jahren vor dem Krieg im Kosovo nach Deutschland und hat seit 2017 keinen geregelten Aufenthaltsstatus mehr. Vor einem Jahr musste er nach einem Herzinfarkt notoperiert werden. Ohne die Meldepflicht hätte er seine Brustschmerzen schon viel früher abklären lassen. „Ich klage, damit ich weiterbehandelt werden kann - und damit in Zukunft niemand mehr von medizinischer Versorgung ausgeschlossen wird “ , sagt der schwer herzkranke Kläger.

Er ist kein Einzelfall. „Wir sehen jede Woche kranke Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus in unseren medizinischen Anlaufstellen. Sie sind Nachbar*innen, Kund*innen, Dienstleister*innen, aber sie können keine reguläre Arztpraxis aufsuchen. Deutschland hat die völkerrechtliche Pflicht allen Menschen einen diskriminierungsfreien Zugang zur Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. Dieser Zugang darf nicht aus migrationspolitischen Erwägungen verwehrt werden“ , so Janina Gach, Advocacy-Referentin bei Ärzte der Welt.

Zuvor hatten zwei hessische Gerichte den Eilantrag des Klägers zurückgewiesen, mit Verweis auf die fehlende Angabe seiner Adresse. Weil auch Gerichte den Kläger sofort bei der Ausländerbehörde melden müssten, hatte der Kläger keine andere Wahl als seine Wohnanschrift zu verschweigen. Seine Klage selbst hätte sonst die Datenübermittlung ausgelöst, die er mit ihr verhindern will. Für das Gericht war er jederzeit unter der Adresse seines Anwalts erreichbar.

„Wenn die Verwaltungsgerichte von Menschen ohne Papiere verlangen, mit ihrer Wohnanschrift zu klagen und damit ihre eigene Abschiebung auszulösen, schließen sie diese Gruppe im Ergebnis von jeglichem Rechtsschutz aus. Das ist mit der Rechtsschutzgarantie unvereinbar - jetzt bleibt nur noch der Gang zum Bundesverfassungsgericht“, so Lincoln.

Die GFF und Ärzte der Welt setzen sich seit zwei Jahren gemeinsam mit dem Bündnis „ GleichBeHandeln" für die Abschaffung der Übermittlungspflicht ein, die deutschlandweit mehrere hunderttausend Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus betrifft. Die Ampel-Regierung hat sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, die Meldepflichten von Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere zu überarbeiten, bislang aber keinen Vorschlag eingebracht.