„Es tut uns leid, aber wir nehmen keine neuen Patienten auf.“ Diesen Satz hört Abdulkader Kharuf regelmäßig, wenn er versucht, einen Arzttermin für sich, seine Frau oder seine drei Kinder zu vereinbaren. Seit über fünf Jahren hat die Familie keinen Haus- oder Kinderarzt. „Wenn einer von uns krank ist, gehen wir direkt in die Apotheke“, so Kharuf. Er ist deshalb zu einer Sprechstunde der mobilen Klinik gekommen, die Ärzte der Welt in Kooperation mit der studentischen Initiative U-Aid, dem IT-Anbieter Cisco, der Deutschen Bahn und dem Charité-Projekt Women for Women in Berlin betreibt. Heute ist der umgebaute Linienbus an einer Unterkunft für Geflüchtete im Stadtteil Marzahn im Einsatz. Hier lebt der Goldschmied Kharuf, der 2016 vor dem Krieg in Syrien fliehen musste, mit seiner Familie.
Die ehrenamtliche Ärztin Lola Besselink stellt ihm einige Fragen zu dem Hautleiden, wegen dem er den Bus aufgesucht hat. Im Anschluss stellt sie dem Patienten einen Arztbrief aus, mit dem er leichter einen Termin für einen Allergietest bekommt.
Unterstützt von Medizinstudierenden stellen die Ärzt*innen auch erste Diagnosen und überweisen an (Fach-)arztpraxen. Häufig benötigte Medikamente können sie den Patient*innen bei Bedarf kostenfrei mitgeben. Nur Rezepte auszustellen ist nicht möglich, da der Bus keine Kassenzulassung hat.
Auch bei bürokratischen Schwierigkeiten helfen die Mitarbeitenden der mobilen Klinik. „Letzte Woche kam zum Beispiel ein Mann aus Afghanistan zu uns, der aus der Krankenversicherung geflogen war, weil er bestimmte Dokumente nicht ausgefüllt und zurückgeschickt hatte“, sagt Ärzte der Welt-Projektreferentin Susanne Eikenberg.
Technische Lösung für Sprachbarriere
Dass es sich bei den geschilderten Beispielen nicht um Einzelfälle handelt, bestätigt Thomas Knorr, der beim Gesundheitsamt im Bezirk Marzahn-Hellersdorf für die Koordination gesundheitsrelevanter Fragen für geflüchtete Menschen zuständig ist. Viele Neuankömmlinge blieben „über Wochen und Monate“ ohne Krankenversicherungsnachweis. Diejenigen, die einen vorläufiges Dokument vorweisen könnten, würden von den Praxen oft abgewiesen.
„Eine große Hürde ist auch, wenn Patient*innen kein Deutsch sprechen“, ergänzt Änne Heidenreich, Werkstudentin bei Ärzte der Welt. Um die Sprachbarriere möglichst klein zu halten, ist der Bus mit einem Dolmetschersystem ausgestattet. Über zwei Monitore – einer im vorderen und einer im hinteren Bereich des Busses – können die Mitarbeitenden per Touchscreen aus 50 Sprachen auswählen und sich in kürzester Zeit mit medizinisch geschulten Dolmetscher*innen verbinden.
„Kurzfristige Bedarfe erfassen"
Als eine ukrainische Frau mit ihrem etwa zehnjährigen Sohn die Sprechstunde aufsucht, kommt das Dolmetschersystem zum Einsatz. Auf Anhieb ist keine Sprachmittlung für Ukrainisch verfügbar, doch die Mutter ist einverstanden, sich mit Russisch zu behelfen. Ihr tut es spürbar gut, mit jemanden über die zahlreichen Gesundheitsprobleme ihres Kindes zu reden. Der Junge leidet unter anderem unter rätselhaften Anfällen. Dass es sich um Epilepsie handelt, sei jedoch bereits ausgeschlossen worden, übersetzt der Dolmetscher auf dem Bildschirm. Lola Besselink stellt eine Überweisung für eine neurologische Praxis aus. Auch das bei einem Sturz verletzte Knie des Kindes untersucht die Ärztin. Glücklicherweise muss es vorerst nur gekühlt werden. „Wenn das Knie dicker wird oder das Kind Fieber bekommt, sollten Sie sich wieder melden.“ Die Mutter wirkt erleichtert.
Dass auch die Behandlung milderer Leiden den Patient*innen große Erleichterung verschafft, hat auch Jan Fredrik Hollander von U-Aid beobachtet: „Kurzfristige Bedarfe zu erfassen, ist sehr wichtig für die Patient*innen.“
Das Team des Medibusses wird sich auch weiterhin zwei Mal in der Woche um die größeren und kleineren Belange seiner geflüchteten Patient*innen kümmern.
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