Dass dies bisher nicht der Fall ist, sieht Ärzte der Welt in seiner täglichen Arbeit mit Menschen ohne oder mit eingeschränktem Zugang zum Gesundheitssystem. Betroffen sind Hunderttausende in Deutschland - darunter Deutsche ohne Krankenversicherung, Wohnungslose, EU-Bürger oder Menschen ohne geregelten Aufenthalt.
Diese Menschen sind mit beträchtlichen Hürden konfrontiert, auch wenn sie sich auf Corona testen lassen wollen: Eigentlich werden die Kosten für den Test nach dem Infektionsschutzgesetz bei Nicht-Versicherten vom Gesundheitsamt übernommen. In der Praxis ist der administrative Aufwand für die Kostenübernahme angesichts der aktuellen Überlastung der Gesundheitsstrukturen jedoch zu hoch. Betroffene können zudem keine normale Arztpraxis aufsuchen, wenn sie krank sind, und erst im Notfall in einem Krankenhaus behandelt werden. Und auch diese sind zum Teil bereits am Limit ihrer Kapazitäten.
Viele Ärzte der Welt-Patient*innen sind wohnungslos oder leben mit anderen auf engem Raum. Oft arbeiten sie unter prekären Bedingungen. Diese Menschen können nicht in Quarantäne gehen. Auch die notwendigen Hygienemaßnahmen einzuhalten, ist für sie schwierig. Gleichzeitig besteht in dem aktuellen Klima der Verunsicherung und Angst die Gefahr, dass bestimmte Gruppen stigmatisiert und weiter ausgegrenzt werden. Auch das kann eine weitere Verbreitung des Virus befördern.
Wenn Angela Merkel in der Corona-Krise zu Solidarität aufruft, muss diese deshalb vor allem auch für marginalisierte und damit besonders gefährdete Gruppen gelten.
„Corona macht keinen Unterschied nach Aufenthaltsstatus, Versicherungsstatus oder Wohnsituation - ein Gesundheitssystem kann es sich nicht leisten, diesen Unterschied zu machen," sagt François de Keersmaeker, Direktor von Ärzte der Welt Deutschland. „Wir fordern deshalb einen diskriminierungsfreien Zugang zu Tests und Behandlungen für alle. Dazu gehören eine unkomplizierte Kostenübernahme, die Bereitstellung von Krankenwohnungen für Obdachlose und die Sicherstellung einer bedarfsgerechten Sprachmittlung."
Die Corona-Epidemie macht auch deutlich: Die Gesundheitsversorgung der gesamten Bevölkerung sicherzustellen, ist eine genuin staatliche Aufgabe. Angebote von NGOs können nicht alle Lücken der regulären medizinischen Versorgung in Deutschland schließen. Diese Lücken werden in der aktuellen Krisensituation noch deutlicher sichtbar und könnten besonders dramatische Auswirkungen haben. Einige Organisationen haben ihre Sprechstunden für Menschen ohne Zugang zum regulären Gesundheitssystem vorübergehend eingestellt. Ärzte der Welt führt den Betrieb seiner Anlaufstellen in München, Berlin und Hamburg mit Einschränkungen und unter Einhaltung notwendiger Sicherheitsmaßnahmen vorerst weiter. Dabei richtet sich Ärzte der Welt nach den aktuellen Empfehlungen der Gesundheitsämter und des Robert Koch-Instituts.