Marianne, seit 2012 engagierst Du Dich bei Ärzte der Welt. Wie hat sich Deine ehrenamtliche Arbeit in dieser Zeit verändert?
In den vergangenen Jahren sind mehr Arbeitsbereiche dazu gekommen. Anfangs gab es nur die open.med-Anlaufstelle. Während der sogenannten Flüchtlingskrise waren wir dann auch am Zentralen Omnibusbahnhof aktiv. Danach haben wir die mobilen Einsätze für Obdachlose, die häufig nicht in die Anlaufstelle kommen, begonnen. Ich finde sehr gut, dass man mit dem Behandlungsbus verschiedene Plätze anfährt und die Leute direkt aufsucht.
Viele wohnungslose Menschen mit medizinischen Problemen scheuen es, eine Arztpraxis oder ein Krankenhaus aufzusuchen, etwa weil sie nicht krankenversichert sind. Warum kommen sie nicht in die kostenlose open.med-Anlaufstelle?
Möglicherweise fehlt die Information, aber ich denke, vor allem ist die Hemmschwelle zu hoch. Außerdem müssen viele während der Öffnungszeit der Anlaufstelle arbeiten oder mit Flaschensammeln und ähnlichem ihren Lebensunterhalt zu verdienen - und dieser „Markt“ ist heiß umkämpft. Diese Menschen hätten ohne den Behandlungsbus keine medizinische Versorgung.
Was motiviert Dich persönlich, abends mit dem Team im Bus unterwegs zu sein?
Ich war Allgemeinmedizinerin mit einer eigenen Praxis. Als mein Mann in Rente ging, habe ich früher zu arbeiten aufgehört. Aber ich liebe meinen Beruf und mache ihn gern. Meine Motivation, ehrenamtlich für Ärzte der Welt tätig zu sein: Ich habe jetzt die Zeit und habe es einfach gut gehabt im Leben. Ich möchte davon etwas weitergeben.
Wie ist Dein Eindruck von den Patientinnen und Patienten, die Du bei den Einsätzen triffst?
Man ist sehr nah an ihnen dran, oft näher, als das in der Praxis der Fall ist. Die Menschen sind immer beeindruckend, jeder in seiner Art. Es gibt Leute, die frustriert, enttäuscht und wütend sind und es gibt Leute, die unendlich dankbar dafür sind, dass sie wahrgenommen werden – selbst wenn man ihnen nicht helfen kann. Ich glaube, das ist etwas, was viele Migrantinnen und Migranten erleben: Sie werden in ihrem Land nicht wahrgenommen und an den Rand geschoben und dann kommen sie hier an und es geht ihnen genauso. Es ist ein wesentliches Problem, dass diese Menschen auf der Straße oft behandelt werden, als würden sie nicht existieren oder als wären sie ein Störfaktor. Unsere Einsätze haben also auch diese Funktion: Die Menschen wahrzunehmen und respektvoll zu behandeln.
Möchten auch Sie sich ehrenamtlich für Ärzte der Welt engagieren?
Schreiben Sie unserer Ehrenamtskoordinatorin Andreja Topsch oder besuchen Sie unsere Stellenseite.