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Ärzte der Welt versorgt Menschen ohne Versicherungsschutz auch trotz der Corona-Pandemie. Foto: Ärzte der Welt

„Quarantäne darf nicht zur quälenden Zwangsisolation werden“

 

Der erste Winter während der Corona-Pandemie wird vor allem für die Menschen hart, die ohnehin schon unter schwierigen Bedingungen leben müssen. Wie es Wohnungslosen in München jetzt geht und wie Ärzte der Welt sie unterstützt, berichtet unsere Projektreferentin Annemarie Weber.

Ihr seid regelmäßig mit dem Behandlungsbus vor der Notunterkunft für Wohnungslose in der ehemaligen Bayernkaserne und bietet medizinische Versorgung an. Was tut ihr sonst noch, um die Menschen dort zu unterstützen?
In so einer Notunterkunft kommen viele Menschen auf engem Raum zusammen, deshalb ist unser Ziel, Risikogruppen ein sicheres Umfeld zu schaffen. Wir setzen uns dafür ein, dass zum Beispiel Menschen mit chronischen Krankheiten in Unterkünfte mit geringerem Ansteckungsrisiko untergebracht werden können.

Wie funktioniert das konkret?
Wir kooperieren dabei mit anderen Organisationen, wie dem Evangelischen Hilfswerk, und der Stadt. Unsere Aufgabe besteht darin, zu bescheinigen, dass ein*e Patient*in einer Risikogruppe angehört. Wir sind die einzigen in München, die solche Bescheinigungen ausstellen und es ist ein großer Meilenstein gewesen, dass diese Intiative geglückt ist. Wir müssten uns sonst große Sorgen um multimorbide ältere Personen machen. Denn es besteht die Gefahr, dass eine Infektion unerkannt bleibt, da keine Reihentestungen durchgeführt werden.

Wäre Letzteres notwendig?
Wir glauben, präventive Testungen in Massenunterkünften sind notwendig. Studien aus den USA zeigen, dass sie als eine von mehreren Maßnahmen sinnvoll sind, um die Ausbreitung von Covid-19 in Sammelunterkünften zu verhindern. Zum Beispiel könnte man Neuzugänge testen und zwischendurch regelmäßig Schnelltests durchführen.

Was muss sich sonst noch verbessern?
Es ist ein Unterschied, ob man sich zu Hause isoliert oder in einer beklemmenden, karg eingerichteten Notunterkunft. Wir würden uns da eine Aufwertung wünschen. Und es müsste endlich WLAN geben, wie es die Stadt eigentlich auch schon beschlossen hat, damit die Personen, die ein Handy haben, Kontakt zu ihrer Familie halten können. Denn Quarantäne darf nicht zur quälenden Zwangsisolation werden. Außerdem müsste währenddessen der Zugang zu medizinischer Versorgung gewährleistet sein. Wichtig wäre auch, für Personen in prekären Verhältnissen den Testvorgang zu beschleunigen.

Mit welchen Schwierigkeiten sind eure Patient*innen konfrontiert?
Viele unserer Klient*innen aus anderen EU-Mitgliedstaaten arbeiten in sehr prekären Jobs, zum Beispiel als Tagelöhner oder sie sammeln Pfandflaschen. Sie können es sich nicht leisten, nicht zur Arbeit zu gehen, auch wenn sie krank sind. Denn sie sind dringend darauf angewiesen, Geld für sich und oft auch für ihre Familie zu Hause zu verdienen. Diese Menschen können sich also leichter anstecken und die Krankheit verschleppen. Gleichzeitig haben sie kaum Möglichkeiten, medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen. Es ist völlig ungeklärt, wer es zahlt, wenn diese Patient*innen zum Notfall werden und ins Krankenhaus müssen.

Wie überzeugt man diese Menschen, sich neben in ihrem täglichen Existenzkampf an die Corona-Maßnahmen zu halten?
Es wäre wichtig, ihnen mit einfachen Worten und in ihrer Muttersprache, die nötige Gesundheitskompetenz zu vermitteln. Wir hören öfter von unseren Patient*innen, dass sie nicht verstehen, warum die Regeln so sind, wie sie sind. Das sorgt für Frust. Wir erklären es, so gut es geht, aber wir können die notwendige Informationsarbeit nicht allein leisten. Außerdem werden die Menschen nicht mit Masken versorgt, erhalten aber Hausverbot und müssen auf der Straße schlafen, wenn sie ohne Mund-Nasen-Schutz in der Einrichtung erwischt werden.
 

 

Unser Projekt wird unterstützt von der SKala-Initiative.

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