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Kinder im Flüchtlingslager Kutupalong, in Bangladesch

Von Zäunen umgeben

 

Kein Zugang zu Bildung, kaum Lebensmittel und mangelnde Hygiene – Der 19-jährige Jonnat erzählt von den schwierigen Lebensumständen im Flüchtlingslager Kutupalong in Bangladesch, von seiner Flucht und wie er heute Ärzte der Welt als Freiwilliger unterstützt.

 

Zwei Kinder im Flüchtlingslager Kutupalong, in Bangladesch
Zwei Kinder im Flüchtlingslager Kutupalong, in Bangladesch

Meine Familie und ich gehören einer ethnischen Minderheit aus dem Staat Rakhine in Myanmar an. Wir haben viele Jahrzehnte dort gelebt, bis uns die Regierung Myanmars unsere Bürger*innenrechte genommen hat. Wir durften uns nicht frei bewegen und hatten keinen Zugang zu medizinischer Versorgung.

In Myanmar bin ich zur Schule gegangen, konnte aber die 10. Klasse nicht beenden. Denn den muslimischen Rohingya wurde von der Regierung der Zugang zu einer weiterführenden Schulbildung verwehrt. Wir waren gezwungen, vor der Gewalt des Militärs nach Bangladesch zu fliehen.

Familie in ihrer Hütte aus Plastikfolien
Familie in ihrer Hütte aus Plastikfolien

Im August 2017 griffen myanmarische Truppen, Sicherheitskräfte und Zivilist*innen aus Rakhine mein Dorf an. Unser Haus wurde niedergebrannt, über 20 Dorfbewohner*innen wurden getötet und mindestens zehn verletzt. Ich bin weggelaufen und habe mich versteckt, um mein Leben zu retten.

Die Flucht nach Bangladesch war schwer. Der Boden war matschig und wir hatten kaum etwas zu essen. In den ersten drei Tagen gab es noch trockene Lebensmittel, danach blieben nur noch Blätter und schmutziges Wasser. Alle waren hungrig.

Ich hatte Angst, dass ich getötet werden könnte, wenn das Militär mich findet, denn im Wald habe ich viele Leichen gesehen. Sogar vor unseren Augen wurden Menschen erschossen. Ich glaube, ich bin mindestens zwölf Tage gelaufen, bis ich zu Fuß die Grenze überquerte und in Bangladesch ankam. Dort wohnte ich mit meiner Familie für zehn Tage bei Einheimischen, die uns aufnahmen.

Danach ging es weiter in das Flüchtlingslager Kutupalong, wo wir einen Platz fanden, auf dem wir uns eine kleine Hütte aus schwarzen Plastikfolien gebaut haben. Die Anwohner*innen brachten uns einige Lebensmittel und Kleidung, aber bald sahen wir uns mit finanziellen Problemen konfrontiert. Immerhin gab uns eine Hilfsorganisation Material, damit wir eine neue, bessere Hütte bauen konnten.

Eine Zeit lang hatte ich Angst, dass jemand kommen und mich entführen könnte. Ich traute mich kaum, die Hütte zu verlassen. Ich weinte viel und dachte an Myanmar. Einen Monat später kam ich endlich wieder mit meinen Freund*innen und den Dorfbewohner*innen aus Myanmar zusammen. Das tröstete mich und gab mir etwas Zuversicht.

Doch ich hatte keine Arbeit und durchlebte emotional und finanziell schwierige Zeiten. Eines Tages traf ich zwei Mitarbeiterinnen von Ärzte der Welt und beschloss, mich als Freiwilliger an ihren Aktivitäten zu beteiligen.

Schulkinder beim Fußballspielen
Schulkinder beim Fußballspielen

Derzeit arbeite ich mit Jugendlichen und habe mir neue Kenntnisse und Fähigkeiten aneignen können. Ich kenne mich jetzt in den Bereichen Familienplanung, Katastrophenvorsorge, Erste Hilfe, Hygiene, Neugeborenenpflege, geschlechtsspezifische Gewalt, psychische Gesundheit und vielen weiteren medizinischen Themen aus. Auch grundlegende PC-Kenntnisse habe ich von Ärzte der Welt gelernt oder mir selbst beigebracht.

Meine Aufgabe ist es, gemeinsam mit meinen Kolleg*innen durch das Lager zu gehen und die Menschen über Gesundheitsthemen zu informieren.

Wie ich leiden die meisten Menschen hier unter Nahrungsmittelknappheit. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen verteilt Reis, Bohnen und Öl, aber das reicht nicht aus. Um außerdem Fisch oder Rindfleisch zu kaufen, muss man etwas von seinem Reis und dem Öl verkaufen. Denn Flüchtlinge können nicht arbeiten, weil sie nicht aus dem Lager heraus dürfen. Es wurde sogar ein Zaun rund um das Camp errichtet.

Das Leben im Lager wird immer schlimmer. Sogar zu Entführungen ist es gekommen. Es gibt einige Lernzentren und Angebote für Kinder, die von Unterstützer*innengruppen eingerichtet worden sind. Eine formale Bildung wird jedoch nicht angeboten, weder eine Grund- noch eine weiterführende Schulausbildung. Dabei sollte jede*r darauf ein Anrecht haben. Ich selbst möchte weiter studieren, aber ich darf es nicht. Bildung ist das Fundament eines Landes, und jeder Mensch braucht Bildung. Dass sie uns verwehrt wird, ist eine zusätzliche Schwierigkeit, mit der wir hier konfrontiert sind.

Mädchen beim Lernen
Mädchen beim Lernen

Wir brauchen die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, damit wir Zugang zu Bildung, Kommunikation, Gesundheit, medizinischer Versorgung sowie Nahrung, Sicherheit und Bewegungsfreiheit bekommen und somit einen ganz normalen Alltag führen können. Ich will hier nicht bleiben. Ich will so bald wie möglich zurück nach Myanmar und dort als Staatsbürger in Würde leben. Ich wünschte, ich könnte studieren und Arzt werden.

(Die Aufzeichnung und Fotos sind im März 2020 entstanden, noch bevor die erste Corona-Infektion in dem Lager gemeldet wurde.)
Hütte im Flüchtlingslager Kutupalong, in Bangladesch
Hütte im Flüchtlingslager Kutupalong, in Bangladesch
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