Die menschenrechtswidrige Ungleichbehandlung von Flüchtlingen in Deutschland beenden und einen diskriminierungsfreien Zugang zu medizinischer Versorgung für alle Geflüchteten gewährleisten: Das fordert ein Zusammenschluss von 57 Organisationen und Verbänden aus den Bereichen Flucht und Gesundheit. Anlass für die öffentliche Stellungnahme ist ein Beschluss des Bundeskanzlers und der Regierungschef*innen der Länder, nach dem aus der Ukraine geflüchtete Menschen ab Juni Anspruch auf Sozialleistungen nach SGB II und XII ‒ und damit auch zu notwendigen Gesundheitsleistungen ‒ bekommen.
Einen solchen Umgang mit Schutzsuchenden fordern zivilgesellschaftliche Gruppen seit Jahren und das Bündnis begrüßt diesen Schritt ausdrücklich. Jedoch, so Ärzte der Welt-Direktor François De Keersmaeker: „Wir sehen eine weitreichende Ungleichbehandlung geflüchteter Menschen in Deutschland in Bezug auf das Aufenthaltsrecht, den Zugang zu Sozial- und Integrationsleistungen und zum Arbeitsmarkt, insbesondere aber auch in der gesundheitlichen Versorgung. Die Entscheidung zugunsten der Geflüchteten aus der Ukraine beruht auf den richtigen menschenrechtlichen Prinzipien. Diese müssen jedoch für alle Menschen gelten, die in Deutschland Zuflucht suchen, egal woher.“
Sowohl aus der Ukraine geflüchtete Staatenlose und Drittstaatsangehörige ohne Daueraufenthaltsrecht in der Ukraine als auch Geflüchtete aus anderen Staaten, wie Syrien, Afghanistan oder dem Jemen, sind weiterhin von notwendiger Gesundheitsversorgung ausgeschlossen. Geflüchtete in Deutschland haben nach §§ 4, 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes in den ersten 18 Monaten ihres Aufenthalts aktuell nur Anspruch auf eingeschränkte medizinische Leistungen. Das Asylbewerberleistungsgesetz garantiert nur die Behandlung bei akuten Krankheiten und Schmerzzuständen. Alle weiteren Behandlungen, unter anderem von chronischen oder psychischen Erkrankungen, bedürfen einer oftmals langwierigen Einzelfallentscheidung durch das Sozial- und Gesundheitsamt. Dies führt zu einer massiven gesundheitlichen Unter- und Fehlversorgung.
Die gesetzlichen Ansprüche der Mehrheit der Geflüchteten in Deutschland liegen damit deutlich unter dem Niveau, das im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung als das „Maß des Notwendigen“ definiert ist. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass der Bedarf Geflüchteter aus anderen Ländern als der Ukraine – oder von Geflüchteten aus der Ukraine, die keinen Aufenthaltstitel nach § 24 bekommen – niedriger sei als das im Leistungskatalog der GKV festgelegte „Maß des Notwendigen“.
An mehreren Orten mussten Kriegsflüchtlinge aus Syrien, dem Irak, aus Afghanistan oder dem Jemen aus ihren Unterkünften weichen und an Orte mit schlechter psychosozialer und medizinischer Versorgungsstruktur umziehen, um Platz zu machen für Geflüchtete aus der Ukraine. In einigen Kommunen ist es Geflüchteten aus der Ukraine möglich, kostenlos den Nahverkehr zu nutzen, während Geflüchtete aus anderen Ländern oft Schwierigkeiten haben, eine Arztpraxis aufzusuchen, weil sie sich die Transportkosten nicht leisten können.
Deutschland hat sich völkerrechtlich verbindlich verpflichtet, einen diskriminierungsfreien Zugang zu Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Unterschiedliche Niveaus im Anspruch auf Gesundheitsversorgung sind daher nicht zu rechtfertigen. Bereits 2018 wurde Deutschland von dem UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte in seinen abschließenden Bemerkungen zum Staatenbericht eindringlich aufgefordert, die Einschränkungen im Asylbewerberleistungsgesetz abzuschaffen.
Im Koalitionsvertrag haben die Regierungsparteien angekündigt, das Asylbewerberleistungsgesetz zu überarbeiten. Das Bündnis fordert die Bundesregierung dringend auf, die aktuell bestehenden Ungleichbehandlungen zum Anlass zu nehmen, Einschränkungen im Asylbewerberleistungsgesetz für alle Geflüchteten abzuschaffen. Denn alle Menschen in Deutschland müssen ihr Recht auf diskriminierungsfreien Zugang zu Gesundheitsversorgung wahrnehmen können.
Um den im Koalitionsvertrag genannten unbürokratischen Zugang zu gewährleisten, ist es zudem notwendig, dass Geflüchtete bundesweit eine elektronische Gesundheitskarte erhalten. Zudem müssen Angebote der Gesundheitsversorgung, insbesondere im Bereich der psychischen Gesundheit, bedarfsgerecht ausgebaut und angepasst werden. Hierzu muss auch eine qualifizierte Sprachmittlung im Kontext der medizinischen Behandlung sichergestellt sein.
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