Ärzte der Welt ruft die Außenministerin dazu auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um eine Eskalation zu verhindern. Außerdem fordert Ärzte der Welt von der ukrainischen Regierung, die Menschen in der Krisenregion besser zu unterstützen und das örtliche Gesundheitssystem zu stärken. Alle Parteien müssen zudem dafür sorgen, dass die Bewegungsfreiheit und die Sicherheit sowohl der Zivilbevölkerung als auch des medizinischen und humanitären Personals gewährleistet ist.
„Die Bevölkerung in der vom Konflikt betroffenen Region in der Ostukraine lebt bereits seit fast acht Jahren in einer humanitären Krisensituation, mit massiven Auswirkungen auf den physischen und psychischen Gesundheitszustand der Menschen. Sollte sich der Konflikt weiter verschärfen, droht ein Kollaps der medizinischen Versorgung", warnt François De Keersmaeker, Direktor von Ärzte der Welt Deutschland.
Rund die Hälfte der Gesundheitseinrichtungen im Osten der Ukraine sind schon jetzt als Folge der bewaffneten Auseinandersetzung beschädigt oder nicht voll betriebsfähig. Wegen des massiven Fachkräftemangels ist das verbliebene Gesundheitspersonal stark überlastet. Die Coronapandemie hat die Lage zusätzlich verschlechtert. Die Krankenhäuser sind ungenügend ausgestattet, unter anderem fehlen Sauerstoffgeräte. Die zu einem Großteil ältere Bevölkerung, darunter viele chronisch Kranke, hat Probleme, an nötige Medikamente zu kommen - zum Beispiel, weil die Patient*innen sich diese nicht leisten können oder weil es nicht genügend Apotheken in erreichbarer Nähe gibt.
Ärzte der Welt ist seit Beginn des Konflikts in der betroffenen Region aktiv. Durch die Teilung in von der Regierung kontrollierte und nicht von der Regierung kontrollierte Gebiete sind viele Probleme für den Zugang zu lebensnotwendigen Gesundheits- und anderen Dienstleistungen entstanden. Gesundheitseinrichtungen konnten zum Beispiel keine Patient*innen mehr an die üblichen Krankenhäuser überweisen. Die Kontaktlinie zwischen den beiden Gebieten darf nur an bestimmten Übergängen zu bestimmten Zeiten überquert werden. Seit Ausbruch der Coronapandemie ist ein Großteil ganz geschlossen. Das hatte zum Beispiel zur Folge, dass ältere Menschen, die in den nicht von der Regierung kontrollierten Gebieten leben, sich ihre ukrainische Renten nicht abholen können. Auch medizinisches Material kann nicht mehr so einfach von einem Ort zum anderen transportiert werden. Die Probleme bei der Versorgung spiegeln sich auch in der niedrigen Impfquote wider: Nur 14 Prozent der Bevölkerung in der Oblast Donezk und 12 Prozent in der Oblast Luhansk sind gegen Covid-19 geimpft - in der Ukraine insgesamt sind es immerhin 30 Prozent.
Ärzte der Welt stärkt das lokale Gesundheitssystem durch mobile Einheiten, die in unterversorgten Gebieten Basisgesundheitsversorgung, Behandlungen und Beratungen zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit sowie psychologische und psychosoziale Versorgung anbieten. Außerdem stellen die Teams medizinische Materialien zur Verfügung und führen Fortbildungen für medizinisches Personal durch.