Die unterzeichnenden Organisationen sind zutiefst besorgt über die jüngsten Entwicklungen an der Grenze entlang des Flusses Evros und auf den Ägäischen Inseln. Menschen, die an den Grenzen Europas gestrandet sind, werden für politische Zwecke instrumentalisiert. Wir sind zudem zutiefst besorgt über die Art und Weise, wie die griechischen Behörden und die Europäische Union mit den Neuankömmlingen umgehen. Ebenso alarmierend sind das massive Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Flüchtlinge und die Angriffe aus der Bevölkerung gegen Mitarbeiter*innen von Menschenrechts- und humanitären Organisationen. Wir möchten auch darauf hinweisen, dass das Klima der Panik und die Beschwörung einer angeblichen „asymmetrischen Bedrohung" ‒ die zu allem Überfluss von den Behörden gefördert wird ‒ nicht die Realität widerspiegelt. Sie fügen nicht nur schutzsuchenden Flüchtlingen sondern auch Gesellschaft und Rechtsstaatlichkeit großen Schaden zu.
Wir lehnen die jüngsten Maßnahmen des griechischen Regierungsrates für auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung (KYSEA) entschieden ab. Vor allem verurteilen wir die Entscheidung, per Notverordnung das Recht auf Asyl aufzuheben und Betroffene in ihrer Herkunfts- oder Transitländer zurückzuschicken.
Solche Regelungen sind unmenschlich und illegal. Sie verstoßen gegen den Grundsatz der Nichtzurückweisung, ziehen internationale Verpflichtungen für Griechenland nach sich und gefährden Menschenleben. Es ist unbestritten, dass Griechenland die oberste Befugnis darüber hat, seine Grenzen zu kontrollieren. Das Recht auf Asyl ist jedoch ein grundlegendes Menschenrecht, das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der EU-Charta der Grundrechte und der Genfer Konvention verankert ist.
Wir verurteilen auch die Angriffe auf Menschenrechts- und humanitäre Organisationen sowie das Tolerieren oder gar Befeuern eines solchen Fanatismus. Wir weisen darauf hin, dass ohne die Unterstützung dieser Organisationen das System zur Versorgung von Flüchtlingen in Griechenland völlig zusammenbrechen würde. Dass jede Form von Solidarität mit Geflüchteten stigmatisiert und unter Verdacht gestellt wird – eine Tendenz, die auch durch Mitglieder der griechischen Regierung verstärkt wurde ‒ ist völlig inakzeptabel und schürt Gewalt und Gesetzlosigkeit in der Gesellschaft.
Wir fordern die griechische Regierung dazu auf:
- das illegale und verfassungswidrige Notverordnung zurückzuziehen und den Verpflichtungen des griechischen Staates zum Schutz von Menschenleben auf See und an den Landgrenzen nachzukommen. Darüber hinaus dürfen Menschen nicht mehr in Staaten zurückgeschickt werden, in denen ihr Leben und ihre Freiheit gefährdet sind oder das Risiko besteht, dass sie Folter oder anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen oder Strafen ausgesetzt werden.
- Asylsuchende umgehend auf das Festland umzusiedeln, um die überfüllten Inseln zu entlasten und das Wohlergehen und die Gesundheit der Flüchtlinge zu sichern. Vorrang sollte den am meisten gefährdeten unbegleiteten Minderjährigen und Familien mit Kindern eingeräumt werden.
- die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um jede Person vor Gewalt und Rassismus zu schützen.
Wir fordern die EU-Institutionen auf:
- Die EU sollte im Zusammenhang mit der Bewältigung dieser in erster Linie europäischen Frage die maßgebliche Verantwortung für den Schutz von Migrant*innen übernehmen und sicherstellen, dass deren Menschenwürde und Rechte geachtet werden. Das Recht auf Asyl und die Achtung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung sind grundlegende Elemente des Völkerrechts und des EU-Rechts. Die Behörden der Europäischen Union sind daher verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um sie zu gewährleisten.
- Die Europäische Kommission sollte als Hüterin der Verträge das in der EU-Gesetzgebung verankerte Recht auf Asyl schützen. Daher sollte sie Griechenland entgegen seiner „Schutzschild"-Rhetorik dazu anhalten, seine rechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen.
- Die Mechanismen für die Umsiedlung von Flüchtlingen und Asylsuchenden aus Griechenland in andere Mitgliedstaaten sollten unverzüglich auf faire und vernünftige Weise wieder eingeführt werden ‒ wobei unbegleiteten Kindern Vorrang eingeräumt werden sollte. Wir empfehlen außerdem, Flüchtlinge auch direkt aus der Türkei in die EU-Mitgliedstaaten umzusiedeln.
- Das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei sollte ebenfalls geändert werden, da es sich ‒ neben rechtlichen Lücken ‒ als unberechenbares und ungeeignetes politisches Instrument für die Kontrolle von Grenzen erwiesen hat.
Abschließend fordern wir alle Seiten auf, Gesetze zu respektieren und europäische demokratische Werte zu schützen. Jeder weitere Rückschritt hätte dramatische Auswirkungen auf die europäischen Gesellschaften, die europäische Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit.
ACTIONAID
AITIMA
AMNESTY INTERNATIONAL
ANTIGONE
ARSIS – VEREIN ZUR SOZIALEN UNTERSTÜTZUNG DER JUGEND
BABEL DAY CENTER
CARITAS GRIECHENLAND
CHANGE MAKERS LAB
CHILD AND YOUTH CARE ASSOCIATION (SMAN)
DÄNISCHER FLÜCHTLINGSRAT (DRC)
DEFENSE FOR CHILDREN INTERNATIONAL GRIECHENLAND
NIEDERLÄNDISCHER FLÜCHTLINGSRAT (DCR)
ECOLOGICAL MOVEMENT OF THESSALONIKI
ECHO100PLUS
EDUCATIONAL INNOVATION
ELIX
EPAPSY
EQUAL RIGHTS BEYOND BORDERS
FORENSIC ARCHITECTURE
GENERATION 2.0 RED
GRIECHISCHER FLÜCHTLINGSRAT
GRIECHISCHES MIGRANTENFORUM
GRIECHISCHES FLÜCHTLINGSFORUM
GREEK NETWORK FOR THE RIGHT TO SHELTER AND HOUSING
HELLENISCHE LIGA FÜR MENSCHENRECHTE (HLHR)
HELP REFUGEES / CHOOSE LOVE
ΗΙΑS GRIECHENLAND
HUMANRIGHTS360
HUMAN RIGHTS WATCH
INITIATIVE FOR THE DETAINEES’ RIGHTS
INTER ALIA
INTERNATIONAL RESCUE COMMMITTEE (IRC)
LEGAL CENTRE LESBOS
MED.IN MEDICAL INTERVENTION
ÄRZTE DER WELT GRIECHENLAND (MDM - GREECE)
ÄRZTE OHNE GRENZEN (MSF – GREECE)
MELISSA NETWORK
ΜΕΤΑDRASI
NETWORK FOR CHILDREN’S RIGHTS
OMNES
OXFAM
PRAKSIS
REFUGEE LEGAL SUPPORT (RLS)
REFUGEE SUPPORT IN THE AEGEAN (RSA)
SAFE PASSAGE INTERNATIONAL
SEA OF SOLIDARITY
SOLIDARITYNOW
STATE OF CONCEPT
TERRE DES HOMMES GRIECHENLAND
THESSALONIKI PRIDE
VICTORIA SQUARE PROJECT
WORLD WITHOUT WARS AND VIOLENCE