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Ankerzentrum. Foto: Bayerischer Flüchtlingsrat

„Wir können die Verantwortung nicht länger tragen“

 

„Wir können die Verantwortung nicht länger tragen“

Ärzte der Welt hat entschieden, sich Ende Oktober aus dem sogenannten Ankerzentrum Manching/Ingolstadt zurückzuziehen. Grund sind die andauernden krankmachenden Lebensbedingungen in der Flüchtlingsunterkunft.

Die Hilfsorganisation kündigt den Ausstieg anlässlich der öffentlichen Anhörung "Ankerzentren" im Bayerischen Landtag am 26.09.2019 an. Seit Januar bietet ein Ärzte der Welt-Team zweimal im Monat eine Sprechstunde zur psychologischen und psychiatrischen Versorgung von Asylsuchenden in der früheren Max-Immelmann-Kaserne an.

"Die krankmachenden Lebensbedingungen in der Anker-Einrichtung Manching/Ingolstadt verhindern eine erfolgreiche Behandlung. Ärzte der Welt kann unter diesen Bedingungen die Verantwortung für die Verfassung von schwer psychisch kranken Patient*innen und deren Medikamenteneinnahme nicht tragen", sagt der Psychiater und Ärzte der Welt-Vorstandsvorsitzende Professor Heinz-Jochen Zenker.

Belastende Faktoren wie ein unzureichender Schutz vor Übergriffen, fehlende Privatsphäre, nächtliche Ruhestörung in Kombination mit unsicheren Zukunftsperspektiven und mangelnder Kontrolle über das eigene Leben verhindern schon eine Stabilisierung der Patient*innen, ganz zu schweigen von einer Heilung.

Dies führt zudem zu einer unzumutbaren Belastung des Einsatzteams, trotz der umfangreichen Erfahrung der Mitarbeiterinnen.

In die offene Sprechstunde kamen unter anderem Menschen, die aufgrund von Erlebnissen wie Krieg, Vergewaltigung oder anderen Gewalterfahrungen schwer traumatisiert waren. Doch sie fanden häufig eher zufällig den Weg zu Ärzte der Welt. Es wurde schnell klar, dass es in der Ankereinrichtung kein systematisches Vorgehen gibt, um besonders schutzbedürftige Bewohner*innen zu identifizieren. Und selbst wenn besondere Bedarfe festgestellt worden sind, gibt es kein Prozedere und kein ausreichendes Personal, um den Menschen die notwendige Unterstützung zu ermöglichen.

Obwohl Ärzte der Welt mehrfach gegenüber Politiker*innen und in der Öffentlichkeit auf diese Missstände hingewiesen hat, wurden nur sehr punktuelle Veränderungen erwirkt. Die vom Bundesfamilienministerium publizierten Mindeststandards zur Unterbringung von Flüchtlingen werden nach wie vor nicht eingehalten und die krankmachende Struktur der Einrichtung bleibt bestehen.

Deshalb hat Ärzte der Welt keine andere Wahl, als sich aus der Unterkunft zurückzuziehen. Den dort verbliebenen Helfer*innen steht die Organisation jedoch nach wie vor beratend zur Seite. Die psychologische und psychiatrische Sprechstunde, die Ärzte der Welt in der Münchner Anlaufstelle open.med anbietet, wird regulär fortgesetzt.