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Im Behandlungsbus von open.med finden Menschen Hilfe, die sonst nicht medizinisch versorgt würden. Foto: Ärzte der Welt

Übernachtungsschutz: Medizinische Hilfe unterwegs

 

Es ist ein warmer Sommerabend, als die beiden open.med-Behandlungsbusse vor dem Übernachtungsschutz im Münchner Norden vorfahren. Einige Leute stehen draußen, Kinder spielen auf dem Gehsteig vor dem Gebäude. Doch es ist nicht so idyllisch, wie es klingt.

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Im Übernachtungsschutz finden Menschen kurzfristig ein Obdach, die sonst auf der Straße schlafen müssten. Gerade sie haben häufig große Schwierigkeiten, bei Beschwerden in eine reguläre Arztpraxis oder ins Krankenhaus zu gehen. Die meisten sind nicht krankenversichert, sprechen nicht so gut Deutsch oder haben bereits so viele Diskriminierungserfahrungen gemacht, dass sie sich nicht mehr in eine Arztpraxis trauen. Viele wissen auch nicht, welche Möglichkeiten und Rechte sie haben und wohin sie sich wenden können. Für diese Menschen zählt das kostenlose und auf Wunsch auch anonyme Angebot von Ärzte der Welt zu den wenigen Möglichkeiten in München, ärztliche Hilfe zu bekommen.

Harte Arbeit ohne Absicherung im Krankheitsfall

Einer der ersten Patienten ist Oleg Stanciu*. Er ist 32 Jahre alt und arbeitet auf einer Baustelle in München – ohne Arbeitsvertrag. Am frühen Morgen hat er sich bei einem Arbeitsunfall den Knöcheln verletzt, nun kann er kaum mehr gehen und hat starke Schmerzen. Dennoch hat er weitergearbeitet, auch, weil er sonst keinen Lohn bekäme. Oleg Stanciu und seine Frau pendeln von Monat zu Monat zwischen Deutschland und in ihrem Heimatland Rumänien, wo ihre beiden Kinder leben. Er arbeitet seit 15 Jahren im Ausland, immer ohne Arbeitsvertrag oder soziale Absicherung. Seine Frau putzt in Hotels. Auch sie ist nicht regulär angestellt. Oleg Stanciu könnte in Rumänien eine Krankenversicherung und eine Europäische Versichertenkarte bekommen, um im Notfall in Deutschland versorgt zu sein. Allerdings müsste er diese in Rumänien beantragen und auch bezahlen. Da er Analphabet ist und kaum Geld hat, stellt das für ihn eine fast unüberwindbare Hürde dar.

In München gibt es durchaus Hilfsangebote für Menschen wie Oleg Stanciu. Open.med-Projektleiterin Annemarie Weber erklärt ihm, dass er bei Organisationen wie „Faire Mobilität“ Unterstützung bekommen könnte, schließlich handelt es sich bei seiner Verletzung um einen Arbeitsunfall. Jedoch würde das für seinen Arbeitgeber eine Anzeige bedeuten, und das will Oleg verhindern. Er ist froh, dass er diesen Job auf der Baustelle überhaupt hat.

Foto: Ärzte der Welt
Foto: Ärzte der Welt

Nachdem Annemarie Weber Oleg beraten und über seine Handlungsmöglichkeiten informiert hat, untersucht die ehrenamtliche Ärztin Kristina Huber dessen Bein und versorgt es so gut wie möglich. Sie rät ihm, den Knöchel zu kühlen, hochzulagern und zu schonen. „Mir ist bewusst, dass er die Empfehlungen unter diesen Lebensumständen kaum umsetzen kann. Morgen wird er vermutlich wieder auf der Baustelle stehen und schwer körperlich arbeiten“, stellt die Ärztin bedauernd fest. Krankheitstage kann er sich als Tagelöhner nicht leisten. Dennoch weiß Oleg Stanciu nun, an wen er sich wenden kann. Neben dem Bus kann er auch die medizinische Anlaufstelle von open.med in der Dachauer Straße kommen.

Beratung und Behandlung für Menschen, die sonst nicht versorgt würden

Ana Popa*, eine junge Frau aus Rumänien, ist als nächstes an der Reihe. Der open.med-Dolmetscher übersetzt. Sie ist verzweifelt, weil sie seit längerem ihre Periode nicht mehr hat und nicht weiß, ob sie schwanger ist. Popa möchte einen Schwangerschaftstest machen. Zusätzlich zum Test empfiehlt ihr Annemarie Weber, zur Frauensprechstunde in die Praxis zu kommen. Hier kann Ana Popa sich, auch über das Thema Schwangerschaft hinaus, fachärztlich von einer ehrenamtlichen Gynäkologin untersuchen und beraten lassen. Auch in der Praxis gibt es eine Sprachmittlung.

Wie aufmerksam das Team auch für nicht ausgesprochene Bedürfnisse ist, zeigt sich bei den nächsten Patient*innen. Eine junge Mutter, ebenfalls aus einem EU-Land, ist mit ihren drei kleinen Kindern zum Bus gekommen. Ihr Sohn hat sich den Finger eingeklemmt. Das Team hat die Vermutung, dass dies nicht der einzige Grund ist, warum die Frau da ist. Nachdem die Ärztin Kristina Huber den Finger des Kindes untersucht hat, spricht sie daher lange mit der Mutter. Dieser fällt es in dem geschützten Rahmen leichter, über ihre schwierige Lebenssituation zu sprechen. Unter anderem kommen mögliche Hilfsangebote für potenziell Gewaltbetroffene zur Sprache.

Foto: Ärzte der Welt
Foto: Ärzte der Welt
Hilfe über die rein medizinische Versorgung hinaus

Glücklicherweise sind manche Anliegen der Patient*innen relativ leicht zu lösen: Ein Mann bittet einfach nur um eine medizinische Creme für seine Füße, deren Haut aufgerissen und gereizt ist.

Ein Kroate, der seit 20 Jahren in Deutschland lebt und arbeitet, hat starke Ischias-Schmerzen. Im Behandlungsbus erhält er Wärmepflaster und Schmerzmittel. Die Ärztin zeigt ihm zusätzliche Dehnungsübungen, um den Schmerz zu lindern.

Ein 43-jähriger Rumäne hat sehr starke Zahnschmerzen. Neben Medikamenten hilft ihm das Team mit Adressen für kostenfreie zahnmedizinische Angebote weiter. Da der Patient zurzeit keine Arbeit hat, aber sehr gut Deutsch spricht, empfiehlt ihm Annemarie Weber auch eine Stelle, die Jobs vermittelt.

Ärztin Kristina Huber engagiert sich ehrenamtlich für Ärzte der Welt. Ohne Menschen wie sie wäre unsere Arbeit nicht möglich. Foto: Ärzte der Welt
Ärztin Kristina Huber engagiert sich ehrenamtlich für Ärzte der Welt. Ohne Menschen wie sie wäre unsere Arbeit nicht möglich. Foto: Ärzte der Welt
Das open.med-Angebot wird sehr geschätzt

An diesem Abend ist los. 20 Patient*innen kann das Team beraten und ärztlich versorgen. Die Sprechstunde dauert fast bis 22.30 Uhr. Nach dieser intensiven und anstrengenden Schicht packt das open.med-Team alle Utensilien zusammen, desinfiziert Bus und Materialien und rekapituliert den Abend. Einigen Patient*innen konnten die Mitarbeitenden sofort helfen, andere müssen sicher noch einmal wiederkommen.

So fordernd und vielfältig die Einsätze sein können, eines ist für alle im open.med-Team klar: Jede Person, die sie behandeln und der sie weiterhelfen konnten, ist den Aufwand wert. Dieses Gefühl motiviert bei jedem Einsatz aufs Neue.

*Alle Namen geändert

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