Berlin, 10. Mai 2022 – Gemeinsam mit einem Kläger aus dem Kosovo klagen die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und die Organisation Ärzte der Welt heute gegen die Stadt Frankfurt auf Zugang zu Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere. Der herzkranke Kläger lebt und arbeitet seit 30 Jahren in Deutschland, seit 2017 ohne geregelten Aufenthaltsstatus. Ohne Aufenthaltserlaubnis ist er faktisch von der Gesundheitsversorgung in Deutschland ausgeschlossen. Für eine Behandlung seiner Herzkrankheit muss er beim Sozialamt einen Behandlungsschein beantragen. Das Sozialamt ist verpflichtet, ihn sofort bei der Ausländerbehörde zu melden. Damit würde dem Kläger die Abschiebung drohen.
„Das Recht auf eine medizinische Grundversorgung ist Ausdruck der Menschenwürde und steht allen Menschen zu – unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Es ist ein Armutszeugnis für Deutschland, dass Schwerkranke, Schwangere und Kinder hier faktisch nicht zum Arzt gehen können, wenn sie keinen Aufenthaltstitel haben“, sagt Sarah Lincoln, Juristin und Verfahrenskoordinatorin der GFF.
Schätzungen zufolge leben Hunderttausende Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus in Deutschland. Auf dem Papier haben sie zwar genau wie Asylsuchende einen Anspruch auf eine Kostenübernahme für die Behandlung akuter Erkrankungen. Das Aufenthaltsgesetz (§ 87) verpflichtet aber das Sozialamt, Menschen ohne Papiere an die Ausländerbehörde zu melden. Aus Angst um ihre Existenz meiden die Betroffenen daher den Gang zum Arzt, auch bei lebensbedrohlichen Erkrankungen.
„Ich lebe und arbeite seit dreißig Jahren in Deutschland und bin schwer herzkrank. Ich möchte ohne Angst vor Abschiebung einen Behandlungsschein beim Sozialamt beantragen - damit ich zum Kardiologen oder ins Krankenhaus gehen kann. Dafür klage ich vor Gericht“, so der Kläger.
Die Meldepflicht verletzt neben dem Recht auf Gesundheitsversorgung auch das Recht auf Selbstbestimmung über die eigenen Daten. Die Sozialämter nehmen die Daten zum Zweck der Gesundheitsversorgung auf, die Ausländerbehörde soll damit aber unerlaubte Aufenthalte aufdecken und Abschiebungen ermöglichen. Diese Zwecke widersprechen sich. Darüber hinaus wird das Ziel der Übermittlungspflicht – irreguläre Aufenthalte aufzudecken – nicht erreicht, weil die Betroffenen abgeschreckt werden und sich erst gar nicht ans Sozialamt wenden.
„Regelmäßig kommen Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus in unsere Behandlungs- und Beratungsstellen, weil sie keinen Zugang zur regulären Gesundheitsversorgung haben. Die Meldepflicht im Gesundheitswesen ist unmenschlich und gehört dringend abgeschafft. Dafür setzen wir uns im Kampagnenbündnis GleichBeHandeln gemeinsam mit über 80 weiteren Organisationen ein“, sagt Janina Gach, Fachreferentin bei Ärzte der Welt.
Mit einem Eilantrag wollen die GFF und Ärzte der Welt kurzfristig erreichen, dass das Verwaltungsgericht der Sozialbehörde untersagt, die Daten des Klägers an die Ausländerbehörde zu übermitteln. Die Klage zielt darauf ab, die aufenthaltsrechtliche Meldepflicht grundlegend vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen.
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